Das Auftauchen von Mikroplastik: Meeresmüll, marine Wissensproduktion, Umweltgerechtigkeit und die Politik der Maßstäbe
Dienstag, 30.5.2017 | 18:15-19:45 | Rotunde im Cartesium (Enrique-Schmidt-Str. 5)
Plastik(müll) im Meer ist ein hybrides Objekt, emblematisch für Natur-Kultur-Vermischungen und ihre noch unbekannten Auswirkungen. Mit der Etablierung des Begriffs Mikroplastik im Jahr 2004 wurde ein Maßstab eingeführt, um Plastikkonzentrationen im Verhältnis zu Plankton (Salzwasser) oder Fischlarven (Süßwasser) zu bestimmen. Doch was bedeutet eine hohe Konzentration von Mikroplastik in der Umwelt oder in spezifischen Ökosystemen? Was bedeutet es, wenn an bestimmten Stellen in Gewässern viel Mikroplastik enthalten ist oder wenn ein Teil des Sandes am Strand nun aus Plastik-Pellets besteht? Wann wird mit der Problematisierung dieser Maßstäbe ein eher ästhetisches Problem identifiziert und wann wird damit ein Potenzial von physischer oder toxikologischer Gefährdung adressiert?
Wenn menschliche Hinterlassenschaften dazu führen, dass in den Ozeanen neuartige Lebensformen entstehen, irritiert dies die konventionelle Unterscheidung in Kategorien wie Natur und Kultur. Stattdessen fordert es die Sozial- und Kulturwissenschaften heraus, einen neuen analytischen Umgang mit diesen hybriden Gegenständen zu finden.
In seinem Vortrag wird Dr. Sven Bergmann entlang einer anthropologischen und einer STS-Perspektive diesen Verschränkungen nachgegangen. Dabei wird er – ausgehend von seiner ethnografischen Forschung in Deutschland, Neufundland/Kanada und Chile/Rapa Nui – sowohl simple Konzeptionen der Trennung von Natur und Kultur sowie vereinfachte Schemata der technischen Lösung des Problems kritisch diskutieren.
Dr. Sven Bergmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen und arbeitet derzeit an zwei Forschungsprojekten zur wissenschaftlichen und politischen Problematisierung von Plastik(müll) in den Meeren:
“Plastik als neue Lebensform” (Volkswagen-Stiftung) “Knowing the Seas as NatureCultures” (M4 Explorationsprojekt).