Course taught by Prof. Dr. Michi Knecht
BA program Kulturwissenschaft
Winter term 2012-13
Thurs 8.30-10, SFG 3070
Biomedizin und Lebenswissenschaften sind eminent soziale und politische Unternehmungen. Sie sind kulturell geprägt und tief eingelassen in ökonomische Strukturen. Konträr zu manchen Behauptungen der Medizin und der Biowissenschaften selbst, die Neutralität proklamieren und einen universell standardisierten Körper voraussetzen, zeigt die ethnographische und vergleichende Forschung, dass nicht nur medizinische Kulturen sondern auch Biologien lokal spezifisch und global verknüpft sind. Das Seminar bietet eine Einführung in Methoden und Konzepte der Medizinanthropologie an der Schnittstelle zu den social studies of science and technology (STS) und zur Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT). Wir lesen neue Ethnographien und konzeptionelle Texte, die sich mit Veränderungen durch Epidemien und Infektionen, therapeutische Regimes und medizinische Innovationen beschäftigen, analysieren Forschungsdesigns und experimentieren mit ethnographischen Übungen zu Krankheitsnarrativen und Wissenspraxen. Das Seminar will einerseits deutlich machen, wie Objekte, Relationen und Subjektivitäten in Biomedizin und Lebenswissenschaften „hervorgebracht werden“ und was für implizite Normativitäten, Ausschlüsse und Vorannahmen dabei eine konstitutive Rolle spielen. Es vermittelt andererseits Wissen über die Konsequenzen von Krankheit, Medizin und Biotechnologien in ganz unterschiedlichen lokalen Situationen. Zudem erarbeiten wir wichtige analytische Konzepte – von multiple bodies über reflexive Medikalisierung bis hin zu Biosozialität und Bioverfügbarkeit. Wir diskutieren zudem, welche Forschungsaufträge und -möglichkeiten sich der Ethnologie im Kontext postkolonialer Ordnungen und massiver globaler Ungleichheit in Bezug auf Gesundheit und Medizin heute und zukünftig stellen.