Dr. Katrin Amelang (Institut für Ethnologie u. Kulturwissenschaft), Dr.Juliane Jarke (Institut für Informationsmanagement), Dr. Friederike Gesing (artec-Forschungszentrum Nachhaltigkeit), Dr. Hennig Laux (Institut für Soziologie), Dr. Anna-Lisa Müller (Institut für Geographie) und Prof. Dr. Michi Knecht (Institut für Ethnologie u. Kulturwissenschaft)
Daten und digitale Anwendungen durchziehen heute unsere Alltage. Zunehmend werden fast alle Aspekte gesellschaftlichen Lebens vermessen und quantifiziert; kaum ein Lebensbereich, dessen Ausgestaltung nicht durch Zahlen/Daten beschrieben, legitimiert und bestimmt wird. Diese „Datafizierung“ des sozialen Lebens weckt positive Erwartungen bezüglich erhöhter Transparenz, Rechenschaftspflicht und Bürgerbeteiligung, zugleich aber auch Ängste vor Überwachung, Datenmissbrauch und Kontrolle von Kompetenzen im Umgang mit (digitalen) Daten (Kitchin 2014; Borgman 2015; Ruppert und Isin 2015; Gitelman 2013). Wer Zugriff auf welche Daten hat und sie für welche Zwecke nutzt, und welche sozialen Ungleichheiten, Ein- und Ausschlüsse Daten (re)produzieren, ist Gegenstand aktueller politischer Debatten. Zwar ist das Sammeln, Auswerten und Nutzen von Daten für bestimmte Zwecke durch Wissenschaft, Staat oder Wirtschaft nicht neu.
Verändert haben sich jedoch die technischen Möglichkeiten und Infrastrukturen computerbasierter Datenverarbeitung, die kontinuierlich steigenden Rechenleistungen und Speicherkapazitäten und die in der Folge immer umfangreicheren Datenbestände. Zudem sind wir selbst mit unseren Alltagspraktiken in die Produktion von Daten involviert – freiwillig oder unfreiwillig hinterlassen wir Datenspuren und wirken unterschiedlich aktiv an der Generierung von Daten(profilen) über uns selbst mit. Vor dem Hintergrund dieser Allgegenwärtigkeit und gesellschaftlichen Relevanz von Daten nimmt das Seminar die Verwobenheit von Daten und Kultur/Gesellschaft genauer in den Blick. Studierende werden mit Ansätzen und Forschungsliteratur aus den Feldern der Science & Technology Studies (STS, Wissenschafts- und Technikforschung) und der Critical Data Studies bekannt gemacht. Diese Zugriffe ermöglichen uns, die Verschränkung von digitalen Datenpraktiken in einer Vielzahl von Lebensbereichen über Disziplinengrenzen hinweg zu analysieren und zu diskutieren: Was sind Daten? Inwiefern beeinflussen und reflektieren Daten Alltagspraktiken, soziale Beziehungen, kulturelle Vorstellungen und gesellschaftliche Strukturen? Wie werden Daten produziert? Was ermöglichen Daten? Aber auch: Wie können Datenpraktiken und unsere digitalen Datenspuren empirisch untersucht werden, welche Methoden eignen sich? Im Laufe des Seminars werden wir uns den „Daten in Gesellschaft“ thematisch nähern – z.B. durch Sitzungen zum „Quantified Self“, zur zivilgesellschaftlichen Nutzung von Open Data („civic hacking“) oder zu Daten und digitalen Bewertungspraktiken (z.B. Online Evaluationen), zu spezifischen Regeln, Arten und Herstellungsweisen von Daten (innerhalb und außerhalb der Wissenschaften), zu verschiedenen Datenarbeiten (data analyst vs. click worker) oder zu Dateninfrastrukturen. Das interdisziplinäre Seminar richtet sich primär an Studierende der Kultur- und Sozialwissenschaften, der Geographie, der Informatik und Digitalen Medien und wird von einem interdisziplinären Team vorbereitet und als Team-Teaching durchgeführt.