Workshop-Report: Building Experimental, Collaborative Ethnography: Experimenting with the Asthma Files Platform

Am 15. Juli 2015 fand am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen der vom Bremen NatureCultures Lab organisierte Workshop „Building Experimental, Collaborative Ethnography: Experimenting with the Asthma Files Platform“ mit Kim und Mike Fortun statt. Kim Fortun ist Kulturanthropologin und Professorin für Science and Technology Studies am Rensselaer Polytechnic Institute (USA). Mike Fortun ist Wissenschaftshistoriker und Kulturanthropologe und ebenfalls am Rensselaer Polytechnic Institute. Beide sind Gründer der Asthma Files Platform, einem digitalen ethnographischen Projekt zu Asthma, das kollaborative Forschung und neue Formen der Präsentation von Forschungsergebnissen verbindet. Die Asthma Files Platform erlaubt es, ethnographische Daten aus einer Vielzahl von „asthmatic spaces“ sowie Informationen, Bilder und Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen in eine neue Konstellation, Arrangements und Gefüge zu bringen.

Der dreistündige Workshop startete mit einer ausführlichen Vorstellungsrunde nicht nur der beiden Leitenden, sondern auch von uns Teilnehmer*innen, die ihr ungefähres Alter, ihren institutionellen Hintergrund sowie ihre Forschungsinteressen nannten. Ebenso stellten Kim und Mike Fortun die verschiedenen Mitarbeiter*innen der von ihnen geleiteten Platform for Experimental and Collaborative Ethnography (PECE) in absentia vor. Schon zu Beginn des Workshops wurde damit deutlich, wie wichtig es für kollaboratives Zusammenarbeiten ist, dass ein Raum erschaffen wird, in dem das Verschiedensein der in ein Projekt involvierten Personen zur Sprache kommt und damit auch produktiv umgegangen wird. So betonten Kim und Mike Fortun, wie wichtig es für erfolgreiches Zusammenarbeiten sei, Differenz nicht nur anzuerkennen, sondern diese auch zu aktivieren – was eine eindeutig politische Dimension hat.

Denn eine derartige Berücksichtigung von Differenz sei u.a. ein guter Weg, die grundsätzliche Partialität von Wissen anzuerkennen und damit umzugehen, erklärte Kim Fortun: Sie trage nicht nur dazu bei, komplexe Phänomene besser zu verstehen, sondern dazu, auf die von poststrukturalistischen Denker*innen betonten marginalisierenden und oft gewaltsamen Effekte von Wissen zu antworten; es ist nicht mehr der weiße, heterosexuelle Mann, der spricht und allerorten Gültigkeit für sein Wissen beansprucht. Einen solchen demokratischen Impuls betonten auch mehrere Teilnehmende in der Diskussionsrunde. Gleichzeitig trugen wir auch zusammen, was Kollaboration oft schwierig macht: Die Reihe der genannten Aspekte reichte hier von individuellen Arbeitsgewohnheiten, über spontan einsetzende Workflows, bis hin zu dezidiert politischen Gründen wie schlechte, kurzzeitige Arbeitsverträge an deutschen Universitäten.

Kaleidoskopischer Zugang
Mit der Asthma Files Platform reagieren die involvierten Forscher*innen auf mehrere Probleme und Herausforderungen. Zunächst macht die weltweit hohe Verbreitung von Asthma zu einem sehr relevanten Thema – mit lokal je spezifischen Entstehungsbedingungen und politischen Antworten, ob nun in Houston (Texas), Bogota oder in Teheran, wozu es inzwischen Asthma Files-Gruppen gibt. Zudem seien die dominanten Formen des Denkens über Asthma einseitig und ungenügend, betonten Kim und Mike Fortun. Eine ethnographische Herangehensweise ermögliche es hingegen, die vielen Arten des experimentellen, klinischen, politischen oder wissenschaftlichen Wissens zu Asthma zusammenzubringen, Synergieeffekte zu erzielen und schließlich dazu beizutragen, kollektiv eine inhaltliche Grundlage für möglichen Antworten darauf zu schaffen.

Dies nannten Kim und Mike Fortun einen kaleidoskopartigen Zugang zu Asthma, der mit der notwendigen Partialität von Wissen kreativ umgehe. Ein solcher Zugang erfordert auch ein gewisse Beweglichkeit und Spontanität. Die Asthma Files Platform zeigt interessante Wege, wie mit einer experimentellen, kollaborativen Form der Zusammenarbeit auf die vielfältigen Herausforderungen und Probleme im Umgang mit dem politisch und gesellschaftlich hochrelevanten Thema wie Asthma reagiert werden kann. Sie dient gleichzeitig als infrastrukturell-experimenteller Erfahrungsraum, der nicht nur für die Asthma-Forschung wichtig ist, sondern der zudem der Entwicklung eines Plattform-Prototyps dient, der später auch in ganz anders gelagerten ethnographischen Projekten nutzbar sein soll. (Till Schmidt)